Die Geschichte des Hebezeugbaus und der Fördertechnik
begann vor über 100 Jahren in Suhl
Alles begann mit den Produkten der Firma Kerner. Diese wurden unentbehrlich für aufstrebende neue Industriezweige wie die Kaliindustrie. Der Suhler Oberingenieur Franz Kerner gründete in Heinrichs eine Fabrik für Förderanlagen und ließ sie am 1. Januar 1920 als Gebrüder Kerner, Förderanlagenbau Suhl, in das Firmenregister eintragen. Der Produktionsstart erfolgte mit 25 Arbeitskräften. Tatsächlich musste 1920 der erste Entspeicherungskratzer für das Kaliwerk Roßleben wegen fehlender Baugenehmigung noch unter freiem Himmel gebaut werden. Mit der Erhöhung des Förderaufkommens in den Kalibergwerken stieg auch das Auftragsvolumen des neuen Suhler Fachbetriebes. Das Werk entwickelte nach eigenen Patenten die ersten Typen von Entspeicherungskratzern für die Zwischen- und Versandlagerhallen der Kaliwerke, ferner Trogkettenförderer für den staubfreien Transport von rohen und gemahlenen Salzen, Transporteinrichtungen für Getreidelagerhäuser, Zuckerfabriken und andere Fördergüter. Das junge Unternehmen wuchs, so dass die Belegschaft 1925 bereits 100 Mitarbeiter zählte. Neue Produkte wurden entwickelt und patentiert. Dazu zählten Nass-Entaschungsanlagen für Kesselhäuser, die die teilweise noch glühende Asche der Kessel in Beton- oder Stahltrögen zum Löschen brachte und für die Deponie vorbereitete.
Vollständige Systeme
Der Unternehmer Kerner war daran interessiert, möglichst vollständige Anlagen zu liefern. Es wurden Auflauf- und Abwurfwagen für Förderer, Becherwerke, Waggonbelader und -entlader, Absackapparate und Förderschnecken konstruiert und gebaut.
Ein neues Fertigungssegment entstand mit der serienmäßigen Herstellung von Stirnrad-Schnellhebezeugen und Laufkatzen
bis 5 t Tragkraft.
Die Weltwirtschaftskrise nach dem Schwarzen Freitag der New Yorker Börse (Okt. 1929) trifft auch die deutsche Düngemittelindustrie und somit Kerners Hauptauftraggeber. Die Beschäftigtenzahl fiel 1930 von Monat zu Monat auf unter 50 % des Jahres 1929. Zu dieser Zeit wurden in der Sowjetunion riesige Vorkommen an Kalisalz bei Solikamsk entdeckt, die den Aufbau neuer Werke und entsprechender technischer Ausrüstungen nach sich zogen. Über die Handelsvertretung der UdSSR in Deutschland bekommt 1931 die Firma Kerner umfangreiche Aufträge. Das Rüstungsprogramm bringt auch Aufträge für die Zulieferindustrie. Für Kerner bedeutete dies viele Aufträge, auch für die Waffen- und Flugzeugproduktion. 1935 beschäftigt der Betrieb wieder 107 Mitarbeiter: davon 19 Angestellte und 88 Arbeiter. Bis zur Eingemeindung war die Firma Gebr. Kerner der Gemeinde Heinrichs steuerpflichtig. Sie war zu diesem Zeitpunkt der zweitgrößte Zahler nach den Simson-Werken. Das Werk vergrößert sich. So wurde1939 ein neues Schmiedegebäude und 1941 die Abschneiderei gebaut. Weitere Fertigungsstätten für die Rüstungsproduktion wurden in Breitenbach, Hinternah und Zella-Mehlis eingerichtet. 1944 waren 69 deutsche Arbeiter, 68 Kriegsgefangene, 66 Ausländer und 62 Angestellte im Betrieb tätig. Am 3. April 1945 rückte die amerikanische Armee auf Suhl zu. Die ersten Suhler Häuser erreichten sie am Sehmar und damit das Förderanlagenwerk Gebr. Kerner. Die Amerikaner richteten dort ihr vorläufiges Hauptquartier ein. Die Produktion ruhte zu diesem Zeitpunkt. Erst nachdem die amerikanischen Besatzungsmacht die Firma wieder geräumt hatte, konnte unter der alten Geschäftsleitung mit ca. 15 Personen mit den Aufräumungsarbeiten und der Produktion begonnen werden. In Kenntnis der zukünftigen Einflusssphären (Besatzungszonen) verließ der Kaufmann Kurt Kerner am 1. Juli 1945 vor dem Einzug der sowjetischen Truppen Suhl mit seiner Familie in Richtung Westen und gründete in Saarbrücken die Fa. SIK-Hebezeugebau.
Nach Abzug der Amerikaner zieht am 3. Juli 1945 die sowjetische Besatzungsmacht in Suhl ein. Nazi-Gefolgsleute werden sofort der Kommandantur zugeführt.
Dem früheren Seniorchef Franz Kerner wurden alle Vollmachten und Unterschriftsbefugnisse entzogen. Er verblieb in der Firma und wurde durch die Sowjetische Militäradministration beauftragt, persönlich für die reibungslose Exploitation zu sorgen. Als kommissarischer Betriebsleiter wurde Robert Hoffmann aus Suhl eingesetzt. Auch Walter Kerner wurde als ehemaliger Wehrwirtschaftsführer von den Sowjets verhaftet. Am 20. März 1946 wurde mit den Befehlen 124 und 126 der sowjetischen Besatzungsmacht das gesamte Vermögen der Firma Gebrüder Kerner sequestriert und im August 1946 enteignet. Mit Hilfe der sowjetischen Militäradministration in Weimar wurde im August 1945 mit ca. 15 bis 20 Arbeitskräften der Werksbetrieb unter neuer Führung fortgesetzt. Die Firma hieß nun: „Gebr. Kerner, landeseigener Betrieb, Fördermittel- und Hebe-Betrieb, Suhl“. Im Jahr 1947 zählte das Hebezeugwerk wieder ca. 100 Arbeitskräfte. Neben Ketten-Hebezeugen und Laufkatzen bis zu drei Tonnen wurden als Eigenentwicklungen auch Seilhebezeuge mit 2,5 Tonnen Tragkraft und elektrisch betriebene Sackaufzüge hergestellt. Auch die Fertigung von Förderern läuft wieder an. Hierbei wird besonderer Wert auf die Herstellung von Ersatz- und Reserveteilen gelegt, um die Instandhaltung früher gelieferter Anlagen zu ermöglichen. Am 1. September 1947 wurde auf Beschluss der Hauptverwaltung landeseigener Betriebe in Erfurt Herr Albert Handzik aus Zeitz Betriebsleiter in Suhl. Am 1. Juli 1948 kam das Werk zur Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB) für Ausrüstung von Bergbau und Schwerindustrie ABUS Halle und heißt nun ABUS VEB Hebezeugwerk Suhl. Neuer Betriebsleiter wurde am 1. Oktober 1948 der Produktionsleiter Wilhelm Sauerbrey. Die Belegschaft war auf 131 Mitarbeiter angestiegen. Ingenieure des Betriebes entwickelten 1952 einen 10-Tonnen-Stirnradflaschenzug. 1959 erfolgte die Spezialisierung in zwei Haupterzeugnisgruppen: Kleinhebezeuge und Entspeicherungskratzer. Die Entwicklung und Herstellung von Entspeicherungskratzern / Kratzband-Entaschern für die verschiedensten Anwendungsfälle wurden der Schwerpunkt des Produktionsprofils und machten ca. 70 % der Warenproduktion aus. Hauptabnehmer waren die Sowjetunion sowie die Kaliindustrie und die Kohlekraftwerke der DDR. Die Jahresproduktion erreichte einen Wert von ca. 25 bis 30 Millionen IAP. Der VEB Hebezeugwerk Suhl wird Erzeugnisgruppenleitbetrieb für Kleinhebezeuge. Der VEB Hebezeugwerk Treffurt wird ihm zugeordnet. Nach der deutschen Wiedervereinigung kam das Unternehmen 1990 in Treuhandbesitz. Um den Betrieb den geöffneten Marktbedingungen anzupassen, reduzierte die Treuhand die Belegschaft von ca. 230 auf 80 Mitarbeiter. Im Jahre 1993 erfolgt die Privatisierung als GmbH mit einem Gesellschafter. Der Käufer, Herr Grüßing war ein ostdeutscher Unternehmer, dem auch die Fa. Maschinen- und Stahlbau GmbH aus Unterkatz bei Meiningen gehörte. Beschäftigung und Umsatz blieben stabil. Für das Jahr 1994 wurde ein Jahresumsatz von 9 Millionen DM angestrebt. Absatzgebiete waren die alten und neuen Bundesländer sowie Russland als ausländischer Hauptabnehmer. Den Hauptanteil an der Produktion erbrachte weiterhin der Stahlbau mit Entspeicherungskratzern und Krananlagen sowie Lohnfertigung von Maschinenbetten und Lüftern. Im August 2003 hatte der Betrieb 74 Mitarbeiter. Die Auftrags- und Finanzlage verschlechterte sich Ende 2003/Anfang 2004 rapide. Im Februar 2004 musste Insolvenz beantragt werden. Die SHT Suhler Hebezeugtechnik GmbH nahm am 01.April 2004 ihre Produktion und den Handel von Hebezeugen und Lastaufnahmemitteln auf. 2008 wurde das Unternehmen um die Bereiche Stahlbau und Fördertechnik erweitert. Heute beschäftigt die Firma 20 Mitarbeiter.